Ein Text von Karin Bruns (ehem. Soltani)

Budenzauber – wenn Fußball is, is am schönsten!

(Für Oer-Erkenschwick erleben, Ausgabe 4-2006)

Ja sicher, Walter Opala! 18 Jahre lang stand er in seiner Trinkhalle. Hatte sie damals vom Böhm übernommen. Dann wollte Opala aufhören, und plötzlich standen letzten Winter zusammengenommen gut vier Jahrzehnte Budenzauber auf der Kippe. Opalas Tochter sprang in die Bresche: Sie und ihr Mann Horst Januschowitz sind seit Anfang des Jahres die neuen Trinkhallen-Wirte.

 

„Viele hatten richtig Angst, dass es hier nicht weiter geht“, erzählt Dagmar Januschowitz. Die 55-Jährige sitzt auf einer der massiven Holzbänke vor dem Kiosk und blinzelt in die Sonne. Ihr Mann, im letzten Beruf Gärtner, lehnt auf die Ellenbogen gestützt im Kioskfenster auf den Zeitungen. Rechts und links flankiert ihn bunter Naschkram in Bonbongläsern. „Der erste Tag im Kiosk war ganz schlimm – ich bin dauernd rot geworden“, lacht die Kiosk-Chefin, die erst Fleischereifachverkäuferin war und später als Altenpflegerin gearbeitet hat. Die markigen Sprüche von den Männern, obwohl irgendwie lieb gemeint und nie verletzend, muss man erst mal abkönnen. „Wenn die merken, dass es einem was ausmacht, wird man doppelt hochgenommen.“ Aber die „Dagi“, wie viele der gut 30 Stammgäste, die sich hier täglich mit einem kühlen Bier und dem dazugehörigen Schwätzchen versorgen, sie nennen, hat sich durchgesetzt. Mittlerweile ist sie für ihre Gäste so etwas wie die Mutter Beimer von der Ewaldstraße. Gastwirtin, Mamaersatz, Sozialarbeiterin.

 

„Die Dagi ist ne echte Seele“, bestätigt Uli Nitsch. Wie die meisten kommt der Metallbauer täglich nach der Arbeit vorbei. „Ich bin Single, wohne hier um die Ecke. Das ist hier wie ein zweites Zuhause.“ Nicht nur für ihn. Ob Briefträger, Arbeitsloser, Maurer oder LKW-Fahrer – man kennt sich, und ohne den Plausch in der Bude würde was fehlen. Auch Heinz Beinlich ist jeden Tag hier. Seit den 60er Jahren, da war er gerade jung verheiratet. Heute ist der 72-jährige ehemalige Schlosser Witwer. „Bevor ich allein zuhause sitze, komme ich hierher. Das ist für mich ein bisschen Abwechslung und Unterhaltung.“ Gequatscht und gescherzt wird über den Tag, die Kollegen, Politik und Sport. Eben über alles. „Wenn Fußball is, dann is am schönsten“, sagt Nitsch und bekräftigt seinen Satz mit einem lobenden Nicken – obwohl letztens beim DFB-Pokal die Bayern wieder gewonnen haben. „Das ärgert uns am meisten!“ Aber während der WM gab’s für jeden deutschen Treffer einen Frei-Schnaps. „Schwer in Ordnung, unsere Wirtsleute.“

 

Dagmar Januschowitz hat sogar die Frauen mobilisiert. Mittlerweile kommen die auf einen Kaffee vorbei, auch Kuchen wird mitgebracht. „Oder ich backe selbst einen. Im Sommer habe ich ein Pavillon-Zelt aufgestellt. Wir haben meinen Geburtstag gefeiert und Würstchen gegrillt.“ Wenn’s mal wieder spät wird, rufen die besseren Hälften an und erkundigen sich nach dem Verbleib des säumigen Gatten. Mädchen, die sich von den Männern Bier spendieren lassen wollen, haben bei Dagmar keine Chance. „Die schicke ich nach Hause – genauso, wie ich dafür sorge, dass hier keine Frau blöd angemacht wird.“

 

Im hinteren Teil des Kiosks neben dem Spielautomaten und den Sparbüchsen hängt ein gerahmtes Foto. Sie nimmt es ab und streicht mit der flachen Hand den Staub vom Glas. „Ach nee, guck mal, da seh ich ja aus wie Meister Eders Pumuckl“, ruft Jürgen Neuber. Auf dem Foto steht der ehemalige Bergmann, der jetzt auf Fensterbauer umgeschult hat, mit sieben anderen Männern vor dem Kiosk. „Das sind meine Jungs“, freut sich Dagmar Januschowitz. Vor der Neueröffnung der Trinkhalle haben die Stammgäste beim Innenausbau geholfen. Fast so, als ob das Vereinsheim verschönert werden müsste. „War doch klar“, sagt Jürgen Neuber. „Das ist unser Treffpunkt. Wo sollten wir uns denn sonst über die alten Zeiten unterhalten?“ Und dann gab es letztens noch diese Suppe. „Dagi, Du bist die Beste. Und erst mal Deine Gulaschsuppe!“ Frau Wirtin schüttelt tadelnd den Kopf. „Gulaschsuppe gibt’s hier nicht. Das war Bauernsuppe.“ Kurzes Stutzen: „Na ok, aber nächstens kannst Du die ruhig wieder kochen.“

 

Infos

Trinkhalle auf der Ewaldstraße

Inhaber: Dagmar und Horst Januschowitz

Öffnungzeiten

täglich 9 bis 13 und 15 bis 21.30 Uhr

Mittwochs Ruhetag