Ein Text von Karin Bruns (ehem. Soltani)

Handwerker, Trauerbegleiter und Visionär

(Für Herten Erleben, Ausgabe 19-2007)

Ein Beruf würde den meisten Menschen schon genügen. Aber die heißen nicht Klaus Götza. Wir begleiteten ihn als Fensterbauer, Bestatter und Begründer der „Hausidee“.


Montag, 5. März, 7 Uhr

Die Woche fängt für Klaus Götza im Büro seines Fensterbau-Unternehmens in der Lennestraße an. Seit 7 Uhr sichtet der 65-jährige Unternehmer den Terminkalender, sortiert, was anliegt. Bis in den frühen Abend hinein sind Kundenbesuche angesagt, unter anderem ein Aufmaßtermin für eine Sanierung bei der Volksbank Buer. „Wir fertigen nicht mehr selbst, Kleinaufträge, Garantieleistungen und Beratungen erfolgen nach wie vor.“ Leichten Herzens gibt Götza die Fensterfertigung nicht auf. „Letztes Jahr ist die Firma, die mein Vater als Tischlerei gegründet hat, 60 Jahre alt geworden. Keines meiner drei Kinder will sie übernehmen, und für mich und meine Frau ist das harte Geschäft am Bau nichts mehr“, sagt der gebürtige Iserlohner, der mit vier nach Herten kam. Mit 14 von zuhause weg, Tischler gelernt, Holzbetriebstechnik – „heute heißt das Holzingenieur“ – und Innenarchitektur studiert, viele Jahre in München gelebt. 1976 kam er mit Frau Ibolya zurück nach Herten und übernahm den Betrieb vom Vater. Ein bewegtes Leben. Und es sieht nicht danach aus, als wünschten sich Ibolya und Klaus Götza ein gemütlich ruhiges Fahrwasser. „Wir legen unsere Energie zukünftig ganz in unser Bestattungsunternehmen und unser Hausprojekt für selbstbestimmtes Wohnen.“

 

Dienstag, 6. März, 11 Uhr

Wir sind in Herten Süd auf der Ewaldstraße 124. Vor der Glastür im Eingangsbereich des Hauses mit den grafisch anmutenden Fassadenbildern eines russischen Ikonenmalers plaudert Klaus Götza mit Elisabeth Lehmann. Er stellt uns vor: „Sie ist die soziale Seele des Hauses, kümmert sich, wo sie kann.“ Seit der Hausgründung 2000 bewohnt die Seniorin mit ihrem Mann Bruno, einem ehemaligen Bergmann, eine der 24 Wohnungen. „Wir fühlen uns wohl, eine schöne Gemeinschaft ist das hier im Haus.“ Alle können, keiner muss – selbstbestimmt alt werden ist die Grundidee. „Die Hausidee“, das Projekt in das Klaus und Ibolya Götza sehr viel Herz und Energie gesteckt haben, entstand vor einigen Jahren während eines Urlaubs mit vier Familien. „Wir als Sandwich-Generation, die zwischen Kindern und Eltern steht, haben uns gefragt, wie wir eigentlich alt werden möchten“, erklärt Götza auf einem Rundgang durchs Haus. Eine Wohngemeinschaft? Zu wenig Privatsphäre. Alleine wohnen? Zu einsam. Aber warum nicht zusammen in einem Haus wohnen, mit gemeinsamen Räumen für gemeinsame Aktivitäten? Die Götzas machten Nägel mit Köpfen: „Wir investierten in dieses Haus und wählten genau diesen Standort in Süd. Hier stimmt die Nahversorgung, alles ist mit kurzen Wegen zu erledigen und der Katzenbusch für Spaziergänge ist nahe bei.“ Gebaut wurde barrierefrei: Ebenerdige Laufwege, Türen und Aufzüge in Rollstuhlbreite öffnen sich auf Knopfdruck, das Treppenhauslicht schaltet sich per Bewegungsmelder ein.

 

Anfangs sollte das Generationenwohnen im Mittelpunkt stehen, wo sich Jung und Alt gegenseitig unterstützen. „Aber das scheiterte an zu wenigen jungen Leuten. Die Menschen, die heute hier leben, sind zwischen 40 und 86 Jahre alt.“ Man hilft sich gegenseitig, trifft sich zum Frühschoppen oder zum Kaffeetrinken und feiert zusammen. „Schön wäre es, wenn kulturell noch mehr passieren würde“, wünscht sich Götza. „Auf jeden Fall wollen wir eines Tages selbst hier einziehen. Leider sind einige von unseren Freunden mit denen die Idee entstanden ist, schon tot.“

 

Nach der Hausführung fährt Klaus Götza noch in sein Bestattungsinstitut am Resser Weg gegenüber vom Schlosspark. „Wir haben heute nachmittag unseren Trauergesprächskreis, der alle zwei Wochen dienstags statt findet“, sagt er. Alle Menschen, die Verluste erleiden mussten – der Tod eines nahen Menschen, aber auch der Verlust der Arbeitsstelle oder eines Lebensziels – sind hier willkommen.

 

Mittwoch, 7. März, 9 Uhr

Klaus Götza war heute früh schon bei seiner Mutter. „Sie ist 94 Jahre alt und pflegebedürftig. Mit den Besuchen morgens und abends wechsele ich mich mit meiner Schwester ab.“ Jetzt harkt er vor dem Bestattungsinstitut Blätter zusammen, während zwei Vermessungsingenieure ihr Stativ aufbauen. „Das Grundstück sackt immer weiter ab – wir müssen endlich die Bergschäden in den Griff bekommen“, sagt Götza und legt die Harke beiseite. „Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen das Institut.“ Weit mehr als klassische und moderne Särge und Urnen, einen modernen Vorbereitungsraum mit Kühlzelle und vier angenehm helle und freundliche Aufbahrungsräume hat Götza, erster fachgeprüfter Bestatter im Vest, zu bieten. „Wir haben das Unternehmen parallel zum Fensterbau aufgebaut – mein Vater hatte früher wie jeder Tischler ein paar Särge in den Sägespänen stehen.“ Aber Sargverkäufer sein, das reicht heute nicht mehr. Trauerarbeit ist für das Ehepaar Götza eine ganzheitliche Aufgabe. „Sie sind für viele die erste Anlaufstelle nach einem Todesfall, oft noch vor dem Priester. Daher haben meine Frau und ich eine zweijährige sehr intensive Ausbildung zum Trauerberater absolviert.“ Ein Engel führt einen Verstorbenen ins Jenseits – dieses wandfüllende Gemälde dominiert die lichtdurchflutete Kapelle, die viele für ihre Trauerfeier nutzen. „Für große Gruppen haben wir oben auf der Galerie noch Sitzplätze geschaffen.“ Auf dem Weg zur Galerie durchqueren wir im 1. Stock eine Ebene mit Seminarräumen, einer kleinen Bibliothek und Bildern zum Thema Trauer. „Unsere Gäste können sich hier jederzeit eine Weile hinsetzen und lesen oder die Bilder betrachten – es soll ihnen helfen, die schwere Zeit zu bewältigen.“

 

Donnerstag, 8. März, 13 Uhr

Ein Interessent für den Fensterbaubetrieb schaut vorbei. und überlegt, ob er nur die Maschinen oder doch den ganzen Betrieb übernimmt. „Der Abschied von diesem Beruf war auch ein Stück Trauerarbeit für mich – ich hätte es so gerne gesehen, wenn alles in Familienhand geblieben wäre“, sagt Klaus Götza. „Der Prozess zieht sich seit zwei Jahren hin, aber jetzt, gegen Ende, ist es schon bitter. Das Positive daran ist, dass mir das Loslassen immer besser gelingt.“ Nach einem Routinetag zwischen Fenstern und Särgen surft Götza abends im Internet. „Ich liebe es, mit meinen Freunden aus aller Welt zu chatten. Wir sind wirklich mulitkulti. Gerade versuche ich einen Freund in Marokko zu trösten, der einen lieben Menschen verloren hat.“

 

Freitag, 9. März, 8 Uhr

Rechnungen von Lieferanten liegen auf dem Schreibtisch. „Freitags ist immer unser Wochenabschluss, dann zahlen wir die Rechnungen der vergangenen Woche und machen Terminabsprachen.“ Nachmittags steht noch ein Termin in Wuppertal bei einem Kunden an. Danach ist Lucky dran. Der sechsjährige türkische Hütehund, ein Kangal, braucht viel Auslauf. Dahinter stehen andere Hobbies wie Billiardspielen und die große Chansonsammlung meist zurück. „Wenn wir keinen Trauerfall haben, höre ich am Wochenende gern Musik, oder suche zusammen mit Ibolya Literatur aus für unseren Gesprächskreis.“ Hat ein Bestatter eigentlich Angst vor dem Tod? „Nein, nur vor dem Sterben habe ich Respekt. Ich wünsche mir, dass ich noch so lange wie möglich arbeiten kann. Und wenn ich sterben muss, dann sollte es schnell gehen.“

 

Info

Bestattungsinstitut Götza

Resser Weg 16-18

Telefon: 02366/33033

Internet: www.goetza-bestattungen.de

E-Mail: info@goetza-bestattungen.de