Ein Text von Karin Bruns (ehem. Soltani)

Oldtimer-Messe Techno Classica:
Woll'n se sich mal reinsetzen?

(Saarbrücker Zeitung, 3. April 2004)

Kauft ein Ölscheich einen vergoldeten Rolls-Royce, drückt dem Händler ein Bündel Tausend-Dollar-Noten in die Hand: "Und den Rest geben Sie mir in VWs zurück." Wie sind die drauf, die solche Witze erzählen? Eine Spurensuche auf der Techno Classica in Essen. 

Der Abend vor dem großen Ansturm: Drei Tage lang wurde reingerollt, was die Karossen hergaben. 2500 historische Benzinkutschen aus aller Herren Länder mussten rechtzeitig zur 16. Weltmesse der Oldtimerszene ins rechte Licht rangiert werden. Jetzt wird rasch noch einmal übergewachst, Fingerabdrücke auf schwarzglänzendem Lack gehen gar nicht, Frontscheiben müssen noch einmal auf Hochglanz gewienert werden – noch nie so viele Männer geschäftig mit weichen Flanellläppchen um alte Autos herum wedeln sehen.

"Woll'n se sich mal reinsetzen?" Das Einsinken in die cremeweißen Ledersitze des moosgrünen Jaguars XJ9 vermittelt das Gefühl von Luxus pur. Peter Rahm klemmt sich hinters Steuer, das offene Schraubglas mit weißer Politur in der einen Hand, das Putzfeudel in der anderen. "Anfang der 60er-Jahre in Coventry gebaut, mit viel Liebe zum Detail", erklärt Rahm. Er streicht zärtlich über das Armaturenbrett aus Kirschholz. "Sie werden hier kein Gramm Kunststoff finden." Privat fährt Rahm einen Volvo, Baujahr '62: "Vor vier Jahren habe ich ihn mir endlich geleistet", erzählt der Keramiker aus Aachen, der früher einmal Kunst studiert hat. Alte Autos ordnet er in die Kategorien unwiederbringliches Kulturgut, Kunst, feinste Handarbeit ein. "Das Tolle ist, dass sich die Technik genau da befindet, wo man sie vermutet." 

Hier auf der Techno Classica macht der den Helfer für seinen alten Schulfreund Dr. Gerhard Heins. "Witzige Geschichte: Wir hatten uns 37 Jahre aus den Augen verloren und dann übers Internet wiedergefunden." Heins lehnt in Jeans und altem Pullover an einem behäbigen Chrysler, einem seiner rund 20 Ausstellungsmobile, und lacht über seinen schwarzen Schnurbart hinweg. Vor 15 Jahren ist Heins nach Neuseeland ausgewandert, um sich als Arzt für Allgemeinmedizin niederzulassen. Aus der Medizinerkarriere in Übersee wurde nichts. Die Jaguars – im warmen und trockenen Klima Neuseelands traumhaft gut erhalten und damals noch unglaublich günstig – waren ihm in die Parade gefahren. "Ich hatte dann schnell eine Kollektion von acht, neun Jaguars, die ich mir zurecht gemacht habe", plaudert der 51-Jährige. 

Heute restauriert der Arzt in seiner Werkstatt "Dr. Heins Classics" in Christchurch Oldtimer aller Art und verkauft die historischen Chryslers, Dodges, Cheverolets, Whippets und Hubmobiles in 30 Länder der Erde. Schluss mit Plaudern, Kundschaft naht. Und wer heute, bevor Hinz und Kunz die Hallen bevölkern, seine Runde macht, will ernsthaft kaufen. "Kommen Sie doch nachher noch mal", sagt Rahm noch. "Gehen Sie mal rüber zu den Polen. Die bauen neue Autos original nach alten Mustern." Muss nicht sein. Lieber den vergoldeten Rolls-Royce suchen. 

Das "beste Auto der Welt" wird 100, die Vertreter der Lappenfraktion wieseln hier gleich scharenweise um die "schönsten, elegantesten, seltensten und teuersten" Fahrzeuge aller Zeiten herum. Als die britischen Gentlemen Frederick Henry Royce und Charles Steward Rolls am 23. Dezember 1904 den Vertrag zur gemeinsamen Automobilproduktion unterschrieben, gründeten sie eine Marke, die bald für das Nonplusultra des Autobaus stand. Aber vergoldet? Keine Spur. Der Rolls-Royce Phantom II "Star of India" ist zumindest nach dem größten Sternsaphir der Welt mit 563 Karat benannt. 1934 für Seine Hoheit Maharadscha von Rajkor gebaut, durfte das Staats-Cabria sogar bei der Parade zum Goldenen Thronjubiläum Elisabeths II. von England mitfahren. 

Claus Goldberg steht trotzdem mehr auf Bentleys. "Aber meinen durfte ich zum Rolls-Jubiläum ja nicht mitbringen", mault der Präsident der deutschen Sektion des Rolls-Royce & Bentley Enthusiasts´ Club, ein klein wenig den Beleidigten mimend. Mit der seit 1931 bestehenden Marken-Partnerschaft zwischen Rolls Royce und Bentley war es 2003 vorbei. BMW übernahm Rolls-Royce, Bentley ging an VW. Stolz erzählt der 67-Jährige, wie er mit seinem 70 Jahre alten Derby Bentley letztes Jahr bei der traditionellen Annual Ralley der Enthusiasts wieder den ersten Platz gemacht hat – "dafür bringen meine Frau und ich gern das Sitzfleisch für die 600 Kilometer von Köln nach Northhampton auf." 

Als er 1979 dieses Autowrack auf einer Obstwiese vor sich hinrosten sah, sei der Bazillus ausgebrochen. "Genau so habe ich mir mein Auto immer vorgestellt." So ähnlich geht es auch den 350 anderen Club-Mitgliedern zwischen Flensburg und Oberammergau, Durchschnittsalter um die 50. "Es macht uns einen diebischen Spaß, die alte Technik zu bedienen." Ansonsten stapeln die Rolls-Royce und Bentley-Liebhaber gediegen tief. Die Liebe zum Auto sei ein wunderschönes Mittel zum Zweck. Etwa, um mit Kind und Kegel bei Sonnenschein gemütlich durch die Champagne zu zuckeln. 

Zuckeln? Nicht mit den BMW Z1-Fahrern. "Wenn wir im Konvoi durch die Landschaft sausen, erregen wir mehr Aufsehen als jeder Rolls-Royce", behauptet Horst Breuckmann (58), Präsident des Z1-Clubs. "Das Auto. Der Club. Die Mitglieder" steht im Club-Faltblatt. Klingt wie "Mein Haus. Mein Auto. Mein Pool." 1989/90 baute BMW den Z1 mit einer Limitierung auf 8.000 Stück, der Club für den rasanten Zweisitzer mit versenkbaren Türen wurde noch während der Produktionsphase gegründet. Um die Versorgung mit Ersatzteilen sicher zu stellen. "Der Z1 sollte ein Technologie-Träger, ein reines Spaßauto für gut 90.000 DM sein. Damit können Sie nicht mal ihre Frau zum Einkaufen schicken." Breuckmann meint das ernst. Der Wagen hat keinen Stauraum. Als Besitzer von zwei Z1 kann er aber bequem je eine Kiste Bier auf dem Beifahrersitz spazieren fahren. 

Noch schnell Tschüss sagen bei dem netten Neuseeländer. Doc Heins steht kurz davor, einen Jaguar Roadster XK 140, Baujahr '54 zu verkaufen. Für 65.000 Euro an ein Ehepaar aus dem Sauerland. "Wir haben ja schon zwei Roadster", sagt sie. "Aber bei den modernen Autos merken Sie nicht, dass Sie offen fahren. Es geht nichts darüber, den Wind um die Nase zu spüren."